Godai

Entwicklung eines natürlichen Bewußtseins

Die Ninja hatten als Ziel die Entwicklung des kiai-Bewusstseins, d. h. sie wollten durch und durch natürliche Wesen werden. Dafür ist es nötig, dass man das Wirken der kosmischen Gesetze oder des Universalbewusstseins direkt an sich selbst erfährt. Dazu muss man die Natur unvoreingenommen beobachten und seine eigene Verbindung zu allen Dingen verstehen. Dies führt zu Selbsterkenntnis.

Dafür benutzten sie zwei verschiedene Systeme der Betrachtung der Natur – das godai und das gogyō.

Fünf elementare Erscheinungsformen

Das godai entstammt aus dem mikkyō und lehrt das alle physischen Aspekte aus einer Quelle kommen und einer der fünf primären elementaren Erscheinungsformen zugeordnet werden können:

  • Ku (Leere) oder der Ursprung der subatomaren Energie, das Nichts, der Anfang aller Dinge
  • Fu (Wind) oder die gasförmigen Elemente
  • Ka (Feuer) oder die energieabgebenden Elemente
  • Sui (Wasser) oder die flüssigen Elemente
  • Chi (Erde) oder die festen Elemente

Die Erschaffung des Universums

Um das Prinzip besser zu verstehen kann man die Erschaffung des Universums auf diese Weise betrachten.

In der Leere (ku) entstand Polarität und elektromagnetische Ladungen. Daraus entstanden die Atome und Elektronen und so die verschiedenen Gase (fu). Wenn diese Gase miteinander reagierten, so fand dies auf der energieabgebenden Ebene (ka) statt. Die Moleküle, die daraus entstanden wurden zum Dampf (sui). Daraus entstand schließlich feste Materie (chi).

Dieses Beispiel ist natürlich eine sehr Vereinfachte Darstellung der Schöpfung, doch kann es zum Verständnis dienen. Auf den Menschen bezogen würden die Knochen, Zähne, Muskeln und Sehen feste Materie darstellen. Die Körperflüssigkeiten flüssige Materie, die Körperwärme und die Verbrennung würde das Feuer darstellen und die Atmung würde die Luft darstellen. Die Leere würde sich in der Fähigkeit der Sprache und Verständigung zeigen.

Erde

Auch das menschliche Bewusstsein kann zwischen diesen Ebenen hin und her wechseln. Wenn sich das Bewusstsein auf der Stufe der Erde befindet, so ist man sich seiner eigenen Stabilität bewusst. Veränderung und Bewegung wird Widerstand entgegengebracht, und man wünscht sich, dass die Dinge so bleiben, wie sie sind. Felsen sind ein gutes Beispiel für diese Ebene. Sie bewegen sich nicht, wachsen nicht und ändern sich nicht ohne Zutun. Der Erde wird die Farbe rot zugeordnet und hat ihren Sitz an der Basis der Wirbelsäule. Ein Kämpfer auf dieser Stufe hat ist unbeeindruckt, hat eine stabile Position und hält jedem Angriff stand. Es ist als würde man gegen einen Felsblock kämpfen.

Wasser

Wenn sich das Bewusstsein auf der Stufe des Wassers befindet, ist man sich seiner Gefühle und Körperflüssigkeiten bewusst. Anpassung und Reaktion sind Merkmale dieser Stufe. Man reagiert auf alle Vorkommnisse und hat schwermütige Gefühle. Das beste Beispiel für diese Ebene sind Pflanzen. Sie wachsen und passen sich an die Umweltbedingungen an, doch können sie nicht über ihre Umgebung herrschen. Die Farbe, die dem Wasserelement zugeordnet wird ist orange. Als Sitz wird das hara, die untere Bauchhöhle angesehen. Ein Kämpfer auf dieser Stufe ist immer in Bewegung, weicht aus und macht plötzliche, unerwartete Bewegungen. Man hat den Eindruck als kämpfe man gegen die Wellen. Sie weichen zurück und schlagen wieder zu.

Feuer

Auf der Bewusstseinsebene des Feuers ist man sich seiner dynamischen, expansiven Natur bewusst. Man hat Gefühle von Freude und Wärme und hat das bestreben, die Umwelt zu unterwerfen. Man ist sich seines geistigen und körperlichen Potentials bewusst. Ein gutes Beispiel für diese Ebene sind wilde Tiere. Sie können sich erinnern, können denken, suchen Lust und Freude. Diesem Element wird die Farbe gelb zugeordnet. Der Sitz dieses Elements befindet sich im Solarplexus, an der unteren Spitze des Brustbeins. Ein Kämpfer auf dieser Stufe kämpft mit wilder Entschlossenheit. Er kämpft hart und heftig. Es ist, als würde man gegen ein Buschfeuer kämpfen, je härter man auf die Flammen schlägt, desto stärker brennt es.

Luft

Wenn man auf der Bewusstseinsebene der Luft ist, so spürt man Weisheit und Liebe. Man erkennt seinen Intellekt und sein Wohlwollen. Man empfindet Mitleid und Verständnis für andere. Die Farbe, die diesem Element zugeordnet wird ist grün. Als Sitz des Elements wird die Mitte des Brustkorbs angesehen. Ein Kämpfer auf dieser Stufe kämpft defensiv. Er schützt sich, fügt dem Gegner aber keinen großes Schaden zu. Er fängt Angriffe ab und leitet Energien um. Es ist als würde man gegen den Wind kämpfen. Er tänzelt um einen herum, ohne das man ihn fassen kann.

Leere

Die Bewusstseinsebene der Leere bringt Kreativität und die Fähigkeit herbei, von jeder Ebene auf die andere zu wechseln. Diesem Element wird die Farbe blau zugeordnet. Der Hals wird als sein Sitz angesehen. Auf dieser Ebene gibt es keinen Kampf. Gedanken, Worte und Taten schaffen eine Situation, in der ein Kampf gar nicht erst zustande kommt.

Die Elemente im täglichen Leben

Jede dieser Bewusstseinsebenen kann sowohl negativ als auch positiv in Erscheinung treten. Bei der Erde könnte die positive Wirkung Stabilität sein, die negative selbstzerstörerische Sturheit, beim Wasser könnte die positive Wirkung Flexibilität sein, die negative Gefühlsduselei. Eine Mögliche positive Wirkung des Feuers könnte aggressive Vitalität sein, eine negative überwältigende Angst. Beim Wind könnte eine positive Wirkung Weisheit und Liebe sein, eine negative Wirkung wahrheitsverdeckende Vergeistigung.

Ob es nun der Umgang mit Angst, mit Freude, mit Langeweile ist oder welche Filme man liebt, was für Beweggründe man hat, wie man mit Diskussionen umgeht oder welche Ratschläge man erteilt, alle diese Faktoren lassen sich einer der elementaren Ebenen zuordnen. Die meisten Menschen befinden sich in einem Wechsel zwischen den Ebenen, doch einige haben sich auch auf einer Stufe eingependelt. Man kann hier nicht von gut oder schlecht sprechen, alles ist richtig und angepasst, weil alles ein Teil des Universums ist. Auf diese Weise kann man aber begreifen, was für Beweggründe ein Mensch hat oder welche Probleme ihn quälen.


Text: Stefan Imhoff