Ursprünge des Ninjutsu

Die Tengu als Vorfahren der Ninja

Ushiwakamaru sparring with tengu. By Utagawa Kuniyoshi.

Dämonen des Waldes. Tengu 👺 (jap. Himmelhund, Fabelwesen aus der japanischen Geschichte). Geflügelte, langnasige Fabelwesen, die tief in den verfluchten Wäldern Japans verborgen lebten.

Voller Furcht erzählten sich die Bewohner Geschichten über die Ninja. Die tengu wären ihre Vorfahren und hätten ihnen die Kampfkunst beigebracht. Magier, Zauberer, Dämonen. Ein Ninja sei unsterblich, unverwundbar, könne durch Wände gehen, fliegen, verschwinden, wann immer es ihm beliebe und niemand könne ihn besiegen.

Die Schattenkrieger Japans genossen ihren Ruf, weil er ihnen ein wenig Ruhe vor Neugierigen brachte und ihre Anonymität schützte.

Und nicht selten starb ein junger Samurai, der das erste Mal gegen einen Ninja kämpfen musste. Und das nicht etwa, weil dieser besser kämpfen konnte, sondern weil ihn seine Furcht lähmte und Aberglaube ihn manipulierte.

Entstehung in China

A Chinese bamboo book, open and unfolded to display the contents. This copy of The Art of War (on the cover, "孫子兵法") by Sun Tzu is part of a collection at the University of California, Riverside. The cover also reads "乾隆御書", meaning it was either commissioned or transcribed by the Qianlong Emperor.

Über die Anfänge des Ninjutsu gibt es noch viele Unsicherheiten. Die allerersten Ursprünge liegen höchstwahrscheinlich auf dem Festland in China. Die Ideen wurden also aus China von Flüchtlingen nach Japan gebracht.

Dafür spricht unter anderem die Existenz von Ninjutsu in Korea und China (Lin Kuei Hing Su To).

Die Kunst des Krieges

Der 2000 Jahre alte Kriegsklassiker Sun Tzu, Die Kunst des Krieges (ca. 400 bis 320 v. Chr.) ist wohl eines der ersten Werke, das sich mit Spionage beschäftigt. Diese Schrift wurde um 600 n. Chr. nach Japan gebracht und dort in die Anfänge des Ninjutsu integriert. Des weiteren sind indische und tibetische Einflüsse mit in das Ninjutsu eingeflossen (z. B. das kuji in, mantra, mikkyō, oder mandala).

Der erste Shinobi

Der Prinzregent Shōtoku Taishi (572-622 n. Chr.) nutzte als erstes Agenten, um sich in Streitfragen über die wahren Hintergründe zu informieren. Unter seiner Herrschaft entstand auch der Name Ninjutsu oder shinobi no jutsu.

Einer von Shōtokus Feldherren, Otomo no Saijin, errang durch den Einsatz von Kundschaftern und die dadurch erlangten Informationen einige große Siege. Daraufhin ernannte Shōtoku Taishi diesen Krieger zum shinobi, was soviel wie sich verstecken oder sich tarnen bedeutet.

Ursprünglich war Ninjutsu wohl lediglich ein reines Kundschafterwesen. Während der Heian-Periode (794-1192) entwickelte sich daraus eine tödliche Kunst.

Ninjutsu und Buddhismus

Nach dem Tod von Shōtoku kam es in Japan zu einem grausamen Streit zwischen Buddhisten und Shintoisten. Beide Lehren beanspruchten für sich die neue Staatsreligion zu werden. Dieser Streit endete in einem Bürgerkrieg. Ein yamabushi mit Namen Enno no Gyōja ging an die Öffentlichkeit und versuchte durch eine neue Strömung des Buddhismus, dem shugendō, die Ordnung wieder herzustellen. Die Religion fand beim Volk großen Anklang. Der Adel befürchtete die yamabushi könnten die Staatsmacht an sich reißen und stellten deshalb eine große Streitmacht gegen sie auf.

Die Priester zogen sich Angesichts dieser Übermacht in die Berge um Kyōto zurück und führten ihren Krieg gemäß den chinesischen Militärtaktiken fort.

Die Krieger aus den Bergen

Unglaubliches wird über die yamabushi erzählt, die sich in den Jahren der Verfolgung immer den Truppen entziehen konnten.

Sie konnten über glühende Kohlen gehen, ihre Hände in siedendes Wasser tauchen ohne Verbrennungen zu erleiden, plötzliche Feuersbrünste löschen, kaltes Wasser in Sekunden zum kochen bringen, oder aber die Schwerter ihrer Feinde so fest ins saya (Schwertscheide) zu bannen, dass keine Kraft sie herausziehen konnte. Dieses shugendō, der Weg der wunderbaren Erweisung durch Askese, schützte die Kriegermönche vor den Truppen.

Yamabushi on the Ōmine Okugakemichi near Yoshino (Japan)

Von ihnen erlernten die Ninja auch die Beherrschung der mudra (Fingerzeichen), eine Reihe von 81 Fingergesten, die bestimmte Bereiche der Psyche kontrollieren können. So ist es den Ninja möglich gewesen Gefühle wie Angst, Hunger, Kälte und Schmerz zu kontrollieren, ihre Sinne zu schärfen und sich zu konzentrieren. Die mudra kommen ursprünglich aus Indien und bedeuten Siegel oder Zeichen. Sie sind körperlicher Ausdruck eines bestimmten Bewusstseinszustandes.

Im Ninjutsu fanden jedoch nur 9 Gesten Anwendung, welche kuji in, die 9 grundlegenden Gesten der Hand genannt wurden.

In der Heian-Periode (794-1185) wurde das omyodō (Wahrsagen und Astrologie) in Japan eingeführt, was ein weiterer Schritt nach vorn für das Ninjutsu war.

Das omyodō war eine alte übergreifende Wissenschaft, die sich aus den Elementen der chinesischen Wahrsagerei sowie der Astrologie zusammensetzte.

Die Rolle der Ninja im Mittelalter

Bis zum Mittelalter entwickelte sich das Ninjutsu langsam in eine andere Richtung. Seltener noch erlernten die Schüler die tiefen Grundlagen des shugendō und andere Wissenschaften, denn es dauerte oft ein ganzes Leben, bis man sich in einer dieser Techniken fast perfektioniert hatte.

Viele Fürsten, wie die mächtige Familie Genji (Name für die Minamoto) pflegte engen Kontakt zu den Kriegern der Berge. Und häufiger waren die Dienste der Ninja für kleinere Spähaufträge gefragt. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich noch kein Begriff, wie Ninja oder Ninjutsu herausgebildet, es dauerte noch einige Zeit, bis sich die Mitglieder dieser Clans als Ninja sahen.

Um das Ninjutsu zu verbessern und schneller Agenten auszubilden wurden neue Aspekte hinzugefügt. Die älteren Künste, die schwer und in langwieriger Arbeit zu erlernen waren, wurden langsam ersetzt durch physische und psychische Meisterleistungen, optischer Täuschungen und Taschenspielertricks.

Ausgefeilte Techniken, effiziente Kampfkunst, auf ihre Tödlichkeit ausreichen geprüft und Körperbeherrschung machten den Ninja zu einem fast unbesiegbaren Kämpfer, dessen Ruf in den Reihen seiner Feinde Furcht und Schrecken säte.

Es dauerte noch bis zur Mitte der Heian-Periode, bis sich das Ninjutsu fest etabliert hatte.

Die Hattori-Familie legte in der Iga-Provinz den Grundstein für ihre Iga-Ninjutsu-Schule.


Text: Stefan Imhoff